Ich stand am Fenster und sah in den trüben Morgen hinaus. Es nieselte und alles war grau. Am Hoftor huschte ein kleiner Schatten vorbei, vielmehr ein viel zu großer Schulranzen schob eine kleine Gestalt vor sich her. Ein kleines Mädchen lief sehr schnell am Straßenrand entlang. „Seltsam, es ist ja fast noch dunkel und so ein kleines Mädchen ganz alleine“, dachte ich.

Neugierig geworden, warf ich mir den Mantel über und schnappte meine Einkaufstasche. Rasch verließ ich das Haus. Der Nebel verschluckte alle Geräusche. Zögernd folgte ich dieser verwischten Silhouette. Das Mädchen hatte einen dicken roten Wollrock an. Sie kam mir seltsam vertraut vor. Niemand war auf der Straße, nur wir zwei. Sie trug einen schweren Gegenstand. Jetzt erst sah ich, dass die zierliche Gestalt ein klobiges Holzscheit an die Brust drückte. Ihre kleinen Hände mit den zu dünnen Handschuhen konnten das Holzstück kaum umfassen. Sie ging langsamer, blieb stehen, schaute unschlüssig zurück, ging wieder, zaghaft setzte sie einen Fuß vor den anderen. Doch dann lief sie entschlossen weiter. Der Schulranzen war viel zu groß, der Rock viel zu lang, das Kindergesichtchen viel zu ernst. “Wo gehst Du denn mit dem Holzscheit hin?“, fragte ich, als ich sie endlich eingeholt hatte. Das Kind antwortete nicht. „Zur Schule geht es in die andere Richtung.“ Plötzlich standen wir vor dem Bahnhof. „Willst Du mit einem Holzscheit verreisen? Das Kind nickte: „Ich will hier nicht mehr wohnen und in einer Hütte brauche ich Holz für das Feuer. In meinem Schulranzen habe ich das Essen dabei. Meine Mutter schläft noch.“

„Du kannst doch nicht alleine fahren, lass mich doch bitte mit.“ Eine brennende Liebe für dieses kleine Wesen überfiel mich. Als ich mich zu dem nahenden Zug umdrehte, war sie verschwunden, wie von der Erde verschluckt. Quietschen, Dampf, dumpfes Grollen, der Schaffner hatte schnell wieder zur Abfahrt gepfiffen.

Ich hastete am Gleis entlang, öffnete alle Türen und rief: „Wo bist Du kleines Mädchen?“ Der Zug fuhr langsam an. Keuchend lief ich hinterher. Plötzlich sah ich sie auf der Plattform des letzten Wagens. Ein blasses, ernstes Kindergesicht. Sie hatte die Hand leicht erhoben. Der Zug entfernte sich, wurde bereits schneller.

Auf der anderen Seite am Bahnsteig rannte eine Frau im weißen Nachthemd hinter dem Zug her. Das Hemd flatterte um die dünnen Beine. Die Füße steckten in klobigen Holzschuhen. Sie hob eine verbeulte Blechkanne mit Wasser hoch, wollte sie dem Kind reichen. Unbedingt wollte sie auf den Zug aufspringen, sie, die Mutter. Körperlich fühlte auch ich ihn, den unendlichen Schmerz dieser Frau. Trotzdem, das Kind und ich wollten nicht, dass sie es schaffte.

Der Zug wurde schneller und schneller. Bald verschwand er in der Ferne.